Was passiert mit den Geldern auf vergessenen Konten?

Viele von uns werden sich mit Sicherheit in der folgenden Situation wiederfinden: Beim Aufräumen und Sortieren alter Unterlagen taucht plötzlich ein längst vergessenes Sparbuch auf. Der eigentliche Inhaber ist bereits verstorben, doch laut dem letzten Eintrag befindet sich immer noch Geld auf diesem Sparkonto. Solche vergessenen Konten sind in Deutschland keine Seltenheit. Juristisch betrachtet wird ein Sparbuch als „qualifiziertes Legitimationspapier“ eingestuft, was bedeutet, dass die Person, die das Sparbuch in Händen hält, Anspruch auf das Guthaben hat – unabhängig davon, ob sie der rechtmäßige Erbe des ursprünglichen Kontoinhabers ist oder nicht. Die Bank verlangt von diesem Sparbuch-Inhaber nicht einmal eine Sterbeurkunde oder einen Erbschein, um das Guthaben auszuzahlen.

Jedoch müssen alle Auszahlungen auf dem Sparbuch vermerkt werden. Nach Ablauf von 30 Jahren müssen Banken den Betrag auf vergessenen Konten als Gewinn dem Finanzamt melden. Wenn jedoch jemand nach dieser Frist das Sparbuch vorlegt, ist die Bank trotzdem verpflichtet, das Guthaben auszuzahlen.

Trotz dieser klaren Regelungen kommt es immer wieder vor, dass Banken behaupten, das Sparguthaben sei bereits ausgezahlt oder auf ein anderes Konto überwiesen worden, ohne jedoch irgendwelche Nachweise oder Belege dafür vorzulegen. Meistens gibt es keine genaue Erklärung, warum dies geschehen sein sollte, wohin das Geld transferiert wurde oder wann dies geschehen sein soll. Solche Behauptungen wirken äußerst unglaubwürdig und widersprüchlich, besonders wenn die Bank behauptet, keinerlei Unterlagen mehr zu besitzen, die diese Vorgänge belegen könnten. Früher wäre dies rechtlich gesehen, insbesondere nach § 21 Abs. 4 KWG a.F., nicht möglich gewesen:

„Verfügungen über Spareinlagen dürfen nicht durch Überweisung oder Scheck und nur gegen Vorlegung der Urkunde zugelassen werden. Bei voller Rückzahlung der Einlage ist die Urkunde zurückzufordern.“

Wie lange besteht der Anspruch?

Trotz zahlreicher obergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen verweigern Banken und Sparkassen immer noch rechtswidrig oft die Auszahlung von sogenannten Altsparbüchern, insbesondere hinsichtlich der erheblichen Verzinsung, die aufgrund der langen Laufzeit entstanden ist. Gemäß § 808 Abs. 2 BGB hat der Kunde eindeutig einen Anspruch auf Auszahlung des Guthabens von der Bank.

Es ist wichtig zu wissen, dass eine Bank grundsätzlich die Auszahlung eines dokumentierten Guthabens nicht allein aufgrund fehlender Eintragungen verweigern darf. Die Bank hat jedoch die Möglichkeit, zu beweisen, dass eine Auszahlung bereits erfolgt ist. Wenn die Bank in der Lage ist, diesen Beweis zu erbringen, kann der Kunde trotz Vorlage des Sparbuchs nicht erneut eine Auszahlung des Betrags verlangen.

Überblick über die Rechtssprechung

Im Urteil vom 04.06.2002 (Aktenzeichen XI ZR 361/01) legte der Bundesgerichtshof fest: Der Kunde muss das Guthaben beweisen und die Bank muss die Auszahlung beweisen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, der besagt, dass ein Sparkonto aufgelöst ist oder kein Guthaben mehr vorhanden ist, nur weil keine Eintragungen gemacht wurden. Auch der Ablauf der Aufbewahrungsfrist allein ändert die Beweislast nicht.

Im Urteil vom 18.01.2022 (Aktenzeichen XI ZR 380/20) erinnerte der Bundesgerichtshof daran, dass die Bank die Darlegungs- und Beweislast trägt, wenn ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt wird und es darum geht, ob das Guthaben bereits ausgezahlt wurde.

Was kann man tun, wenn die Bank die Auszahlung verweigert?

Zunächst sollte man das Sparbuch vorlegen und Auszahlung des Guthabens innerhalb Frist beantragen. Bei Ablehnung Anwalt einschalten, Original-Sparbuch nur gegen Auszahlung herausgeben. Rechtsanwalt Selter, Fachanwalt für Bankrecht, steht bei Fragen rund um Sparbücher zur Verfügung.